Note for my english speaking readers: This article is only in german language. IF you are interested in the Interview with Stefan Kiesbye – go and take a look here. Thanks.
Nachdem ich euch vor einer Woche das englischsprachige Interview mit dem amerikanischen Autor Stefan Kiesbye präsentierte, kommt nun die Übersetzung für meine Leser, die sich mehr mit der deutschen Sprache auseinandersetzen möchten.
Viel Spaß 🙂
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Lieber Stefan,
vielen Dank dafür, dass du in meiner Rubrik Q&A teilnimmst. Ich weiß, es ist für dich eine stressige Zeit zwischen deiner normalen Arbeit und dem Bewerben von „The Staked Plains kurz vor der Veröffentlichung Ende November. Ich hoffe, dass dieses kleine Interview zur richtigen Zeit kommt und deine Gedanken ein wenig vom Stress löst und du ein wenig entspannen kannst.
Grüße
Sindy
Hier nun die Fragen:
1. Du bist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Vermisst du das Land manchmal noch oder sind es nur bestimmte Menschen, die du vermisst? Was ist deine liebste Erinnerung an das Leben in diesem Land?
Manchmal kommt eine Erinnerung oder ein Bild in meine Gedanken und dann fühle ich den Drang, zurück zu gehen und [das Land] zu besuchen. Die Weihnachtsmärkte, Stunden, die ich mit Freunden in Cafés verbracht habe. Ich vermisse zwei Freunde aus meiner Zeit in Berlin und ich seh sie nicht oft genug. Meine liebste Erinnerung wäre der Frühling in Berlin. Die Stadt war nie schöner als im April und Mai. Es schien, als ob das Leben zurückkehrt.
2. Wann hast du das letzte Mal Deutschland besucht – oder einen anderen Teil Europas? (Was mochtest du am meisten während deines Aufenthalts hier?)
Ich war 2011 zu Besuch in Deutschland, aber ich habe den letzten Sommer in Lissabon verbracht. Ich mag das günstige Essen und den Wein, aber am meisten liebe ich, wie viel Zeit die Menschen zu haben scheinen, um sich mit Freunden und Nachbarn zu unterhalten. Und es ist so viel Leben in den Straßen. Sicher, Großstädte sind immer etwas hektisch, aber nichts desto trotz scheint immer genug Zeit da zu sein, um einen Kaffee zu trinken und Gebäck zu genießen – genug Zeit für ein Gespräch.
3. In welchen Dingen ist das Leben in Kalifornien anders als das Leben in Deutschland an der Ostsee? Ich bin sicher, das Wetter ist schöner als hier 🙂 Was ist – in deinen Augen – der größte Unterschied zwischen dem Leben in Amerika und dem Leben in Deutschland?
Ja, das Wetter ist das ganze Jahr über wunderbar. Für mich ist der größte Unterschied zwischen den Ländern die Offenheit Amerikas für Veränderungen.
Der Vater eines meiner Studenten hat kürzlich seinen Doktortitel in Psychologie erhalten – und er ist 55. Wenn du mit deiner Karriere unzufrieden bist, wird es dir keiner Übel nehmen, wenn du eine neue beginnst. Diese Flexibilität ist wunderbar. Unglücklicherweise ist die soziale Sicherheitsnetz nicht sehr stabil. Kleine Fehler können sich zu Katastrophen ausweiten.
4. Du bist Lehrer für kreatives Schreiben an der Sonoma State University – was war das Beeindruckendste, was einer deiner Studenten kürzlich geschrieben hat?
Es gibt viele Geschichten, die beeindruckend waren, aber eine sticht hervor wegen ihrer beunruhigenden Atmosphäre, die wundervoll wiedergegeben wurde.
Eine Frau vermutet, dass ihr Ehemann in den Tod eines jungen Ehepaars verwickelt sein könnte, welches nachts am Strand übernachtet hatte. Ihr gemeinsames Leben scheint vorbei zu sein, aber wie verhält man sich bei diesen Vermutungen? Wie macht man in dieser Situation einen Schnitt? Der Mix aus Angst, Misstrauen und äußerster Traurigkeit ist faszinierend.
5. Deine letzte Geschichte „The Staked Plains“ erzählt von einem Medium, das mehr Kräfte zu haben scheint, als sie dachte und es erzählt über eine Zeit und einen Ort wo Menschen versuchen, harte Zeiten zu überstehen. Das ist natürlich nur ein extrem kurzer Abriss des Inhalts.
* Welche Gedanken hast du zum Hauptcharakter des Buches, Jenny?
* Hattest du eine klare Vision von ihr, als du mit Schreiben begannst – oder hat sich ihr Charakter während der Arbeit entwickelt?
* Was ist der Grund dafür, dass du Saddle Road Press als Verlag ausgesucht hast?
Jenny war als Charakter ziemlich vollständig als ich begann, an dem Buch zu arbeiten – aber es war trotzdem überraschend zu sehen, wozu sie fähig war. Ich mag sie – nicht weil sie noble Taten vollbringt, aber weil sie weiß, dass das, was sie tut, schrecklich ist und sich trotzdem diese Verstöße erlaubt. Sie realisiert ziemlich früh, dass ihre Entscheidungen schlecht sind – und troztdem geht sie ihren Weg weiter, weil sie sehen will, was passieren wird. Sie will die Dinge und die Menschen mit einer großen Dringlichkeit.
Erzählungen – obwohl sie eine kleine Renaissance erlebt haben – sind der Albtraum eines jeden Lektors. Große Verlage können den Verlust, den sie mit Erzählungen machen nicht wieder auffangen. Aber unabhängige Verlage arbeiten anders. Für sie sind diese kleinen fiktionalen Arbeiten realisierbar. Ich liebe die Arbeit mit Saddle Road Press weil sie jedes einzelne ihrer Bücher äußerst genau bearbeiten und produzieren. Sie haben mir auch eine Mitsprache im Produktionsprozess erlaubt – ich habe jede einzelne Seite gesehen, bevor sie in den Druck ging.
6. Ich habe erst kürzlich deinen Roman „Your house is on fire, your children all gone“ in deutscher Sprache gelesen. Dort läuft er unter dem Titel „Hemmersmoor“. Das war ebenfalls eine Leseempfehlung einer Person, die ich sehr schätze.
Hast du einen Menschen in deinem Leben, dem du mit Leseempfehlungen traust?
Warum, denkst du, ist es wichtig, solche Menschen (sei es nun Familie oder Freunde oder einfach Menschen, die du bewunderst) im Leben zu haben?
Bist du für jemanden „diese Person“?
Momentan habe ich niemanden, der mich mit Leseempfehlungen versorgt, was ich sehr bedauere. Aber die Studenten erzählen mir oft von ihren Leseerfahrungen – und ich habe eine Liste mit Büchern, die ich mir besorgen muss.
Es gibt eine ganze Reihe von Menschen, die ich bewundere, und die wichtigsten konnten mir in Zeiten helfen, in denen ich irgendwie festsaß. Oft waren es Lehrer. Dagmar von Thomas, meine Schauspiellehrerin in Berlin, hat mir über ziemlich schwere Zeiten hinweg geholfen. Irving Feldman, mein erster Lehrer für kreatives Schreiben, war einer der scharfsinnigsten Leser, die man sich vorstellen kann – und er half mir, nicht die Orientierung zu verlieren.
Ich versuche, so präsent wie möglich zu sein, aber man weiß ja nie, was die Menschen von Begegnungen mit dir mitnehmen. Du kannst nur die Person sein, die du bist – und das ist harte Arbeit.
7. Wir haben ja gerade über Buchempfehlungen gesprochen – hast du ein besonderes Buch (oder Bücher), das du den Lesern meines Blogs gern empfehlen würdest?
Das große Heft von Agota Kristof; Verlangen von Jeanette Winterson
8. Mein Blog beschäftigt sich ja auch mit anderen Medien außer Büchern und ich würde dich gern ein wenig zu deinen Interessen befragen.Was – außer Lesen und schreiben und deiner Familie – interessiert dich sonst noch? Schaust du gern Filme oder Serien – oder bist du eher der Naturmensch, der gerne wandern geht und fotografiert – oder gibt es etwas anderes, abseits von den „normalen“ Aktivitäten?
Ich wünsche, meine Aktivitäten wären anders, aber sie sind ziemlich normal. Ich schaue derzeit mehr Fernsehen als Filme im Kino. Serien wie The Fall (mit Gillian Anderson), Broadchurch, Game of Thrones und Mad Man habe ich mit großer Hingabe angeschaut. Und ich liebe britische Krimis, von Lewis über Inspektor Linley und DCI Banks.
Ich bin kein großer Naturbursche aber meine Frau und ich haben drei ziemlich große Hunde und sie brauchen eine ganze Menge Auslauf. Also bekommen wir unseren Anteil an Spaziergängen und es ist immer sehr schön, mit ihnen zum Strand zu gehen.
9. Ich weiß, diese Frage klingt vielleicht komisch, aber ich glaube, die Antwort ist interessant.
Wie du vielleicht weißt, mache ich gerne Fotografien von Tieren. Wenn du für einen Tag ein Tier sein könntest – welches würdest du sein wollen – und warum?
Ich wäre gern mein Hund Kurt, eine deutsche Schäferhund-Mischung. Er ist die positivste und wildeste Kreatur, die ich kenne. Er ist immer „da“. Er läuft immer auf Hochtouren, er ist unerbittlich. Er lässt dich nicht weg.
10. Schnell-Antwort-Runde: Bitte antworte mit dem Gedanken, der dir als erstes in den Sinn kommt. Danke.
* Liebstes Essen: Pizza von Koronet an der Ecke von Broadway und 110th Street in NYC
* Bist du eine Morgenperson oder Abendperson? Abend
* Liebste Farbe: Grün
* Schönste Zeit in deinem bisherigen Leben? Kaffee mit meiner Frau Sanaz.
* Größte Einfluss auf deine Schreibarbeit? die Gebrüder Grimm und Ernest Hemingway
* Was vermisst du am meisten während du in Kalifornien lebst? Dass ich mich überzeugend beschweren und jammern kann.
* Größter Wunsch für den Rest deines Lebens? Kaffee mit Sanaz.
* Liebste Musik/ Lied, das du je gehört hast? Autechre, “VLetrmx21”
* Musik, zu der du entspannen kannst? French Chansons, Fado
* Welche TV-Serien schaust du am liebsten dieser Tage? Ich hoffe auf die Rückkehr von Kenneth Branagh’s Wallander.
* Liebste TV-Serie als du ein Kind warst: Star Trek
* Hast du ein positives Zitat, das dir in den Sinn kommt? “[Leben] is hoffnungslos, aber nicht ernst.” Billy Wilder
Vielen Dank nochmal für deine Teilnahme. Ich werde dir Bescheid geben, wenn dieses Interview online geht.
Eine letzte Frage: Hast du ein neues Buch in Gedanken oder in Arbeit?
Es ist meine Angewohnheit, nie über zukünftige Projekte zu sprechen. Ich kann es einfach nicht.
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Ich hoffe, euch hat dieses Interview Freude bereitet, ihr habt etwas über Stefan Kiesbye erfahren und hoffentlich inspiriert euch dies, einige seiner Werke zu lesen.
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