~ „Glück im Unglück“ / „Morgenwind“ Teil 5 ~

Pünktlich zum Jahresende gibt es nun auch den letzten Teil von Elke Fromms Geschichte.

Ich freue mich über – hoffentlich zahlreiche – Kommentare zur Geschichte, die ich natürlich an Frau Fromm weiterleiten werde.

Und nun: Viel Spaß mit einem kurzen Teil 5:

 

Elsa ist nicht tot. Sie wird wieder gesund. Hier ist sie. Ich durfte sie sogar mit nach Hause nehmen.’

Eure Mutter hob das Kissen hoch und fügte leiser hinzu: ‚Was für ein Glück. Elsa wurde ein zweites Mal geboren.’

Inge trat näher. ‚Ich bin schuld, Herta. Ich habe mit ihr in der kalten Morgenluft auf der Wiese getanzt. Da hat sie sich bestimmt erkältet.’

Wind geschluckt’, hörte eure Mutter den Professor sagen. Sie sah Inges traurigen, schuldbewussten Blick und schüttelte den Kopf. ‚Nein, nein, Inge. Elsa hat sich nicht erkältet. Es wird alles wieder gut.‘

Beim Abendessen erzählte eure Mutter alles, was sich zugetragen hatte, bis ins kleinste Detail. Gebannt hingen wir an ihren Lippen. Sie konnte gar nicht genug lobende Worte für den Professor finden.

‚Und das Beste kommt noch. Ich musste versprechen, in einem Monat ausführlich zu berichten, wie sich Elsa entwickelt hat. Ist das nicht wunderbar?‘

Eure Mutter hielt ihr Versprechen und schickte tatsächlich nach einem Monat einen Brief an die Universität Halle.

Wenige Tage später erhielt sie die Information, dass Professor Höfert doch noch eingezogen wurde, um in einem fernen Lazarett seine Pflicht erfüllen zu können. Den Brief habe man ihm aber nachgeschickt. Doch leider hörten wir nie wieder etwas von ihm und wissen heute noch nicht, ob er zurückgekehrt oder gefallen ist.“

Angela umarmt die Schwester und ruft: „Is bin froh, du nis tot bist, Elsa.“

Sie hebt ihren Blick und strahlt die Großmutter an. „Omi, was isn Schepfer? Kann ich das mal sehn?“

Großmutter lacht. „Offenbar hast du viel mehr verstanden, als wir immer glauben, mein kleiner Schatz. Doch davon erzähle ich euch das nächste Mal. Jetzt wollen wir erst einmal frühstücken.“

***

~ „Glück im Unglück“ / „Morgenwind“ – Teil 4 ~

Auf gehts in den vorletzten Teil der Geschichte von Elke Fromm:

Hat sie sonst noch etwas gesagt?’

Nein, hat sie nicht.’

Danke Lydia. Ich gehe sofort los.’

Oskar fährt in zehn Minuten in die Stadt, Material holen. Wenn du willst, nimmt er dich mit,’ sagte Lydia schnell.

Ohne zu antworten, griff eure Mutter ihre Tasche und eilte davon. Nach ungefähr dreißig Minuten setzte Oskar sie am Krankenhaus ab.

Nicht so hastig, gute Frau.’ Ein junger Arzt hielt sie am Arm fest.

Ich hatte einen Anruf, meine Tochter —.’

Frau Nowacky? Folgen Sie mir bitte. Professor Höfert möchte Sie sprechen.’

Aber meine Tochter–.’ Doch schon rannte sie dem Arzt hinterher, der sie kurz darauf einem älteren Herrn vorstellte.

Herr Professor, Frau Nowacky. Frau Nowacky, Herr Professor Höfert.’

Der Professor erhob sich und trat auf eure Mutter zu. ‚Das Wichtigste zuerst, Frau Nowacky, Ihre Tochter lebt und sie wird wieder gesund. Sie schläft jetzt. Und nun nehmen Sie doch bitte erst einmal Platz.’

Wie ferngesteuert, setzte sie sich und starrte den Professor unentwegt an.

Nach meiner Ankunft gestern Nachmittag, musste ich sofort den Jungen operieren. Er hatte starke innere Blutungen. Die Operation überlagerte für Stunden sämtliche Probleme dieser Station. Und doch starb der Junge unter meinen Händen.

Deprimiert lief ich auf dem Flur hin und her und suchte nach einer Antwort. Warum ich einem Pfleger in das dunkle Zimmer nachging, weiß ich nicht. Schemenhaft nahm ich vor dem verdunkelten Fenster ein Kinderbett wahr. Ich ging hin und befühlte den vermeintlich leblosen Körper. Als ich jedoch ein heißes Gesicht spürte, geschah alles Weitere in Windeseile.

An Ort und Stelle untersuchte ich Ihre Tochter. Bei der leisesten Berührung des Bauches begann sie zu schreien. Ich hatte eine Vermutung und flößte ihr etwas Tee vermischt mit einigen Tropfen Rizinus ein. Nun hieß es warten, einfach nur warten. Nach etwa zwei Stunden entleerte sich der Darm. Der Stuhlgang war schwarz wie Teer. Meine Vermutung hatte sich bestätigt. Was ich bisher nur aus der Literatur kannte, fand ich jetzt in der Praxis vor.

Ihre Tochter hatte ‚Wind verschluckt‘, im wahrsten Sinne des Wortes. Der kalte Wind hatte sich im Darm verfangen und den Brand ausgelöst, der seinerseits dann das Fieber verursachte.

Eure Mutter ergriff die Hand des Professors. ‚Ich weiß nicht, wie ich Ihnen jemals danken kann, Herr Höfert. Ich glaube, ich träume.’ Sie zwickte sich in den Arm und sah aus den Augenwinkeln, wie sich der Arzt amüsierte.

Dass Ihre Tochter lebt, verdankt sie nicht nur mir, sondern mehreren glücklichen Umständen.

Weil sich stundenlang alles um die komplizierte Operation des Jungen drehte, hatte die Schwester versäumt, mich über den Zustand Ihrer Tochter zu informieren. Dass ich, aus mir unerklärlichen Gründen, der Ärztin in das dunkle Zimmer gefolgt bin, denke ich, ist der erste glückliche Umstand.

Dass Sie jeden Tag zu Ihrer Tochter kamen, an ihrem Bett saßen, mit ihr sprachen oder ihr Lieder vorsangen, das war für ihr Baby die beste Medizin und aus meiner Sicht der zweite glückliche Umstand.

Dass aber Elsa solange durchhielt, bis ichkam und ihr half, das war ein weiterer glücklicher Umstand. Oder war es vielleicht — ähem — das Werk des Schöpfers, der mit dem kleinen Wesen Erbarmen hatte?’

Er lächelte verschmitzt und sah aus dem Fenster.

Kommen Sie, gehen wir zu ihr. Ich denke, ich habe noch eine Überraschung für Sie’, ergänzte er dann.“

Großmutter hält inne und atmet tief durch. Dann spricht sie weiter.

Am späten Nachmittag hielt ein Krankenauto vor unserem Haus. Wie immer liefen wir zum Tor und waren wie gelähmt, als wir sahen, dass eure Mutter alle Sachen bei sich hatte. Sogar das Kopfkissen hielt sie auf dem Arm. Die Nachbarn eilten herbei, als sie das Auto hörten.

Nein, Herta! Sie darf nicht tot sein!’, schrie Inge laut auf.

***

Und morgen erfahrt ihr im letzten Teil, wie die Geschichte endet.

~ „Glück im Unglück“/ „Morgenwind“ – Teil 3 ~

Und weiter geht es in der Geschichte:

Der Zustand könnte sehr kritisch werden. Der Zustand könnte ….’

Immer wieder jagten ihr diese Worte durch den Kopf. Wie in Trance schleppte sie sich zum Oberen Bahnhof. Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren, wusste weder, wann der nächste Zug fährt, noch, ob überhaupt einer fährt.

Irgendwann fand sie sich im Zug wieder, mit geschlossenen Augen an die kühle Abteilwand gelehnt. Von weither hörte sie den Schaffner sagen, dass die letzte Bahn nach Krömlitz bereits vor einigen Stunden gefahren sei.

Geht es Ihnen gut, junge Frau?’, vernahm sie die besorgten Worte des Schaffners. Sie nickte kurz und schwieg.

Auf dem Nachhauseweg spürte eure Mutter ihre Beine nicht. Sie schienen einer fremden Macht zu gehorchen, denn sie eroberten Meter für Meter die Straße von Kräsla nach Krömlitz. Am späten Abend kam sie völlig erschöpft zu Hause an.

Wenn sie nicht trinkt, könnte ihr Zustand sehr kritisch werden’, sagte sie abwesend, als sie in unsere ernsten Gesichter blickte. ‚Ich darf morgen wieder kommen.’

Soll jemand mit dir gehen, Herta. Vielleicht kann Bruno dich noch einmal fahren.’

Danke Papa,’ wehrte sie ab. ‚Bruno wird wieder eingezogen, als Kraftfahrer. Sicher ist er schon weg.’

Am nächsten Morgen, sofort nach dem Frühstück, nahm sie ihre Tasche und ging zur Kleinbahn. Sie drehte sich kurz um und lächelte. Doch es gelang ihr nicht, mich zu täuschen.

Und gerade an diesem Tag fuhr die Kleinbahn gar nicht. Einige Fahrgäste gingen nach Hause, andere machten sich auf den Weg nach Kräsla, um den nächsten Zug nach Dölschau zu erreichen. Eure Mutter reihte sich ein und lief mit. Durch Gesprächsfetzen, die hin und wieder an ihr Ohr drangen, wurde sie etwas abgelenkt.

Der Tag hatte nicht glücklich begonnen.

Wie würde er enden?

Fast hätte sie eine Schwester umgerannt, so schnell lief sie zum Krankenzimmer. Ein leiser Schrei löste sich von ihren Lippen, als sie sah, dass das Bett ihrer Tochter nicht mehr an seinem Platz stand. Es kann ‚alles‘ bedeuten, aber auch ‚nichts‘, schoss es ihr durch den Kopf.

Wir mussten Ihr Baby in einen anderen Raum fahren, weil es die frisch operierten Kinder störte’, hörte sie hinter sich die Kinderärztin sagen.

Wo ist meine Tochter? Wie geht es ihr?’

Doch die eine Frage blieb ebenso unbeantwortet, wie die andere. Stattdessen führte die Ärztin eure Mutter an eine Tür, die sie langsam öffnete. Ein kleiner Raum mit schwarzen Vorhängen an den Fenstern wurde sichtbar. Hinten an der Wand stand das Bett.

Kalte, dunkle Stille beherrschte den Raum.

In dieses Zimmer fahren wir die Patienten, denen wir nicht mehr helfen können. Ihre Tochter hat seit vorgestern Abend nichts getrunken, immer nur geschrien. Vorhin ist sie vor Erschöpfung wieder eingeschlafen. Glauben Sie mir bitte, wir haben alles Menschenmögliche versucht.’

Eure Mutter umfasste die heißen Hände und begann leise zu singen, das Schlaflied, welches sie euch schon unzählige Male vorgesungen hat.

Heute Nachmittag kommt ein Professor aus Halle, der einen schwerverletzten Jungen operieren muss. Ich werde dafür sorgen, dass er sich ihre Tochter ansieht.’

Sie hörte die Worte nicht. Sie summte weiter.

Ach ja, sie brauchen doch meine Milch,’ murmelte sie plötzlich, erhob sich und ging mechanisch ins Nebenzimmer. Keine Träne, nur Leid und Schmerz standen in ihren Augen. Wann ein Zug fuhr, wusste sie nicht.

Irgendwann kommt bestimmt ein Zug’, tröstete sie sich. ‚Ich komme schon nach Hause. War die Kleinbahn heute ausgefallen? Oder war das gestern?’

Völlig überhitzt kam sie spät am Abend zu Hause an und versuchte, uns zu erklären, dass Elsa lebte und doch auch nicht.

Arme Mama’, flüstern Kati und Angela, wie aus einem Munde.

Ja, wir machten uns nun auch Sorgen um eure Mutter“, fuhr Großmutter fort.

 ‚Herta, du musst etwas essen’, redete Großvater am nächsten Morgen auf sie ein. Doch sie wehrte wieder ab und schwieg.

Plötzlich hörten wir im Hof eine Stimme. ‚Herta, Emma, Richard, hört ihr mich?’

Mit einem Satz war eure Mutter am Fenster und riss es auf.

‚Herta, da hat eine Frau angerufen. Du sollst sofort ins Krankenhaus kommen’, rief Lydia, unsere Nachbarin.

~ „Glück im Unglück“/ „Morgenwind“ – Teil 2 ~

Nun geht es ohne Umschweife zu Teil 2 der Geschichte von Elke Fromm:

***

Eure Mutter schüttelte den Kopf und sagte, dass die Ärzte im Moment nicht wissen, woher das Fieber kommt und dass sie ihr Baby dort lassen musste. Morgen solle sie wiederkommen und versuchen, es zu stillen.

Mir brach es fast das Herz, mit ansehen zu müssen, wie sie litt. Und nicht helfen zu können, war so ungefähr das Schmerzlichste, was es für mich in diesem Moment gab.

Während eure Mutter so sprach, kam sie langsam näher, blickte durch mich hindurch in den Garten auf den Kinderwagen, den Inge dort abgestellt hatte, als sie von ihrem Morgenspaziergang am Tage zuvor, zurückgekehrt war.

Inge, selbst kinderlos, liebte es, mit ihrem Patenkind morgens, wenn die Natur noch unberührt war, durch die Wiesen zu gehen.“

Kati nimmt ein Taschentuch aus ihrer Schürzentasche, putzt sich die Nase, schluckt mehrmals und bittet die Großmutter weiter zu erzählen.

Am nächsten Morgen packte eure Mutter ein paar Sachen zusammen, legte drei Stoffwindeln und einen Nuckel dazu und zog sich an.

Ich gehe schon langsam zur Kleinbahn, Mama. Man weiß ja nie, wann sie in diesen wirren Zeiten fährt. Ich hoffe nur, sie melden keinen Fliegeralarm, denn dann kommt sie gar nicht.’

Ich nickte ihr zu und drückte fest ihre Hand. Sie wusste, was das heißen sollte: ‚Sei tapfer, du bist doch sonst so stark. Ich gebe dir ein wenig Hoffnung mit auf den Weg.’ Wieder ein Tag voller Unruhe, voller Angst, aber auch voller Hoffnung.

Wenn sich die Kleinbahn verspätete, müsst ihr wissen, würde sie den Zug in die Kreisstadt nicht erreichen. Und seit dem letzten Bombenangriff, als ein Granatsplitter einen Abschnitt des Gleisbettes zerstörte, fuhren die Züge ohnehin nur aller drei Stunden oder fielen auch mal ganz aus.

Doch klappte an diesem Tag alles sehr gut und eure Mutter ging mit klopfendem Herzen vom Bahnhof zum Krankenhaus.

Die Stationsschwester lief ihr auf dem Flur entgegen und schüttelte den Kopf. ‚Frau Nowacky, leider hat sich am Zustand Ihrer Tochter auch heute nichts geändert.

Frau Doktor Bernhardt hat Ihr Baby gründlich untersucht. Sie ist ratlos, denn sie konnte den Entzündungsherd nicht finden, der für das hohe Fieber verantwortlich sein könnte. Die Kleine schreit ununterbrochen, schläft vor Ermattung kurz ein, aber nur solange, bis ihr Körper wieder von Krämpfen geschüttelt wird.’

Sie hakte eure Mutter unter und führte sie ins Kinderzimmer, in dem sieben Betten standen, von denen vier belegt waren.

Sie schläft’, flüsterte eure Mutter kaum hörbar und berührte mit der Innenseite ihres Handgelenkes die heiße Stirn.

Etwas Tee von gestern Abend hat sie bei sich behalten. Das ist doch ein gutes Zeichen. Finden Sie nicht auch?’

Vielleicht hat sie das Schlimmste überstanden? Darf ich warten, bis sie aufwacht, Schwester? Vielleicht kann ich sie heute stillen.’

Natürlich dürfen Sie warten. Wann fährt denn der nächste Zug?’

Eure Mutter sah die kleine, dralle Mitvierzigerin fest an. ‚In einer halben Stunde und dann wieder in drei Stunden. Aber das ist doch völlig egal. Glauben Sie im Ernst, ich könnte jetzt weggehen? Was ist, wenn sie aufwacht und ich bin nicht bei ihr.’

Die Stationsschwester nickte und ging leise aus dem Zimmer.

Wohl wissend, dass sie von Kräsla nach Hause laufen musste, blieb sie am Bettchen sitzen und wartete. Ungefähr nach einer Stunden wachte Elsa auf, streckte ihr die dünnen Arme entgegen und begann wieder zu schreien. Der ganze Körper erzitterte. Eure Mutter wollte sie auf den Arm nehmen. Doch vergeblich. Die Kinderärztin kam und sah schweigend auf das Baby.

Könnte ich wieder meine Milch abpumpen? Vielleicht trinkt sie heute Abend etwas. Und wenn nicht, dann geben Sie doch die Milch einem anderen Baby.’

Die Ärztin verharrte kurz. ‚Unglaublich, dass Sie in diesem Moment an andere Babys denken können. Aber vielen Dank, Frau Nowacky. Es ist tatsächlich kaum Milch da. Man hat sogar uns auf der Kinderstation die Lebensmittel gekürzt.

Hoffentlich trinkt Ihre Tochter bald etwas. Ihr Zustand könnte sehr kritisch werden.’

***

~ Morgen geht es weiter mit Teil 3 ~

Zum Abschluss dieses Teils habe ich noch zwei Musikempfehlungen. Hört einfach mal hinein 🙂

~ „Glück im Unglück“ oder „Morgenwind“ ~

Sicher erinnert sich der ein oder andere meiner Leserschaft an die ARD-Glückswoche, die vor einiger Zeit von dem Sender durchgeführt wurde und meine damalige Briefbekanntschaft mit Frau Fromm, die mir ihre Geschichte zusandte.

Nun habe ich erneut elektronische Post von der netten Dame bekommen, in der sie mir die Erlaubnis erteilt, ihre Geschichte auf diesem Blog zu veröffentlichen.

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Dieser freundlichen Genehmigung werde ich natürlich nachkommen und ab heute nach und nach die Geschichte mit dem Titel „Glück im Unglück“ veröffentlichen.

Zwar  ist es eine kurze Geschichte, dennoch habe ich sie der Übersichtlichkeit und Spannung wegen in 5 Einzelteile untergliedert.

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und würde mich über Kommentare zu der Geschichte – auch zu den Einzelteilen in die ich sie gegliedert habe – freuen. Diese werde ich dann an Frau Fromm weiterleiten, die sich ebenfalls sicherlich sehr über Anmerkungen freut.

Vielen Dank im Voraus – und nun: Vorhang auf für Teil 1

 

*** „Glück im Unglück“ oder „Morgenwind“ ***

Es ist Sonntagmorgen, so gegen halb neun Uhr, ein Sonntag, wie jeder andere in diesem späten September. Eine weiße Porzellanlampe schickt ein schwaches Licht von der Decke in den Raum, denn draußen ist es noch dämmrig.

Waschen, Zähne putzen, anziehen sind die ersten Tätigkeiten der drei Schwestern. Alle Handlungen verlaufen fast mechanisch. Nur das Kämmen der langen Haare, das den Höhepunkt der sonntäglichen Morgentoilette darstellt, bildet eine Ausnahme.

Großmutter sitzt auf ihrem Stuhl bereit, der achtjährigen Elsa das Haar zu ordnen. Das eigene lange, noch schwarze Haar hat sie im Nacken zu einem Kauz gesteckt.

Schon fast perfekt beherrscht die elfjährige Kati, das braune Haar zu bürsten und zu zwei straffen Zöpfen zu flechten. Großmutter gibt nur noch wenige Hilfestellungen dabei. Unbekümmert von alledem sitzt die dreijährige Angela auf dem Sofa, kämmt sich ihre kurzen, blonden Locken und quietscht dabei vor Vergnügen.

Elsa holt die Fußbank aus der Ecke, stellt sie vor Großmutters Füße und setzt sich darauf. Ihren Rücken schmiegt sie an die Beine der alten Frau und schließt für einen Moment die Augen. Das sind die Minuten der Geborgenheit, die sie genüsslich in sich aufnimmt und mit niemandem teilen muss.

Großmutter, sonntags haben wir doch immer etwas Zeit. Erzähle uns bitte bitte noch einmal die Geschichte“, drängt Kati. Angela unterbricht sofort ihre Tätigkeit, schaut mit großen braunen Augen erwartungsvoll auf die Großmutter und klatscht begeistert in die Hände, so, als ob sie genau wüsste, worum es hier geht.

Ja, Großmutter, bitte. Sie ist so traurig und doch auch wieder nicht“, flüstert Elsa. Die alte Frau nimmt das lange, schwarze Haar in ihre Hände und lässt es langsam durch die Finger gleiten. Dann lehnt sie sich zurück und beginnt zu erzählen.

Vor ungefähr acht Jahren, es war im Herbst 1944, wartete eure Mutter mit ihrer kleinen Tochter auf Bruno, einen Freund der Familie, der mit seinem Motorrad die Beiden ins Krankenhaus fahren sollte. Das Baby schrie, war am ganzen Körper rot und kochend heiß. Wir wussten nicht, was uns mehr ängstigen sollte, das Schreien oder das hohe Fieber.

In ein dickes Kopfkissen gehüllt, hielt eure Mutter Elsa im Arm und setzte sich in den Seitenwagen. Ich sah ihnen lange nach und meine Augen füllten sich mit Tränen. Immer wieder fragte ich mich, was die Ursache für das Fieber sein könnte, das seit Mitternacht den winzigen Körper quälte. Lange, viel zu lange für uns Wartenden blieben sie weg.

Sogar euer Großvater, dem gewöhnlich der Schalk nur so aus den Augen blitzt und der überall für seinen Schabernack und Frohsinn bekannt ist, war an diesem Morgen ganz still und ging, in sich gekehrt, seiner Arbeit nach.

Viele, unsagbar lange Stunden vergingen, bis wir endlich die Hoftür knarren hörten. Wir liefen ihr entgegen.

Inge, die Freundin eurer Mutter von nebenan, rief aufgeregt über den Gartenzaun: ‚Herta, was ist mit Elsa? Haben sie was gefunden?’

*** Weiter geht es morgen mit Teil 2 ***