~ Nickolas Butler: „Shotgun Lovesongs“ ~

Note to my english speaking readers: I won’t translate the german quotes into english ones. Hope you don’t mind.

Es gibt diese besonderen Menschen, die einem Literaturempfehlungen geben – und damit immer richtig liegen. Genauso einem für mich besonderen Menschen habe ich die Leseempfehlung zu verdanken, über die ich heute berichten werde: Nickolas Butler’s wunderbare Geschichte um Liebe, Freundschaft, Familie und den unglaublich weiten Begriff der Heimat.

There are these special people in your life who give you wonderful recommendations on literature to read – and are always right with it. Thanks to one of these wonderful humans (I hope she reads this and knows who she is) I came to read Nickolas Butlers wonderful story about love, friendship, family and the oh so wide idea of home.

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Die Geschichte beginnt mit einer Art ‚Einleitung‘ eines der Hauptcharaktere – Henry.

The story begins with some sort of introduction by one of the main characters – Henry.

He gives us an insight about what life is in Little Wing and about his friends: Lee – the musical star who is also quite famous; Kip – who is quite good with finances; Ronny, who once was a rodeo-star whose luck turned against him and of course Beth, the youth friend of Henry with whom he is married a few years and has two kids with.

Er gibt einen Überblick über das Leben in Little Wing und über seine Freunde: Lee – der prominente musikalische Künstler; Kip – der gut mit der Geschäftswelt zurecht kommt; Ronny – der ehemalige Rodeokünstler, den das Pech heimgesucht hat und natürlich Beth, die Jugendfreundin von Henry, mit der dieser seit einigen Jahren verheiratet ist und 2 Kinder hat.

„Lees Erfolg hatte uns nicht überrascht. Er war seiner Musik immer treu geblieben. Während wir anderen auf der Universität oder in der Army waren oder auf unseren Familienfarmen hängenblieben, hatte er sich in einem verfallenen Hühnerstall verschanzt und in der allumfassenden Stille des tiefsten Winters auf seiner ramponierten Gitarre gespielt. Er sang mit einer gespenstischen Falsettstimme, die einem manchmal, am Lagerfeuer, im unsicheren Schatten der rötlich gelben Flammen und des weiß-schwarzen Rauchs zum weinen brachte. Er war der Beste von uns allen.“

(S. 11)

Mit seinen Worten schafft es Nickolas Butler bereits am Anfang, den Leser tief in die Geschichte hineinzuziehen und nicht wieder gehen zu lassen. Man wird in die Gefühlswelten der unterschiedlichen Charaktere gezogen und taucht ein in Vergangenes, die Gegenwart und spürt auch immer das Anklopfen der Zukunft beim Lesen.

With his words Nickolas Butler gets to draw the reader deep into the story and he is not letting them go. You are pulled into the inner and outer world of the characters and get lost in the past, the present and you also feel the future lurking around while reading this novel.

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Wir begleiten u.a. Ronny in der Zeit nach seinem schweren Rodeounfall und erfahren von der Liebenswürdigkeit und dem Wesen der Nachbarn und Freunde, die sich umeinander kümmern. Wir sehen, dass für diese Menschen in der Kleinstadt Little Wing die Freundschaften weiter und tiefer gehen und mehr Inhalte haben, als nur mal eben ein Bier trinken zu gehen. Man kümmert und sorgt sich umeinander und dieses Wir-Gefühl zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman. Und dieses Gefühl bleibt auch unterschwellig vorhanden, selbst wenn einige Freundschaften durch die Zeit und durch andere Umstände zu zerfallen drohen.

F.e. we get to see Ronny after his rodeo-accident and get to know about the kindness and the nature of the neighbours and friends who care for each other. We see what’s important to the people in the small town of Little wing and that their friendships grow deeper and have more substance to them then just going out for a beer.

You rely on one another and this feeling is there – even when some friendships are tough through the time and other circumstances.

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Die Hauptcharaktere dieser wundervollen Geschichte mit ihren ganzen Facetten sind Lee und Henry. Lee geht die Freundschaft zu Henry und Ronny über alles – zu Kip hat er schon längst die Verbindung verloren.

The main characters of this wonderful novel are Henry and Lee – in all their facets. Lee is very thankful for the friendship to Henry and Ronny and loves them dearly – which is not the thing with Kip. They lost something of their friendship along the way.

„Lee zuckte mit den Schultern und schaute Kip an, und da sah ich, dass sich die Dinge irgendwie verschoben hatten – sie waren keine Freunde mehr, nicht einmal mehr freundlich zueinander, nur noch zwei Männer, die sich nicht mochten, zwei Männer, die nichts mehr gemeinsam hatten, von der geographischen Herkunft mal abgesehen. Von jetzt an und für alle Zukunft würde jede Gelegenheit, bei der sich ihre Wege kreuzten, nur noch reiner Zufall sein.“

(S. 47)

„Shotgun Lovesongs“ ist unterteilt in die unterschiedlichen Ansichten und Geschichten der jeweiligen Charaktere. Ersichtlich wird dies durch die Betitelung der Kapitel, die nur durch Großbuchstaben erfolgt: L für Lee, H für Henry usw. Ein interessanter Weg des Perspektivwechsels und ich muss zugeben, dass ich mindestens bis zum dritten Kapitel gebraucht habe, um diese Aufteilung zu verstehen.

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„Shotgun Lovesongs“ is divided into different stories of the different characters. You can see this while looking at the titles of the chapters. They only have different capital letters regarding the person who is telling this part of the story. It’s an interesting way to do so and I have to admit that it took a little while that I got used to it. Normally you are – as a reader – used to chapters with numbers or other titles.

Normalerweise ist man ja an Kapitelüberschriften oder Kapitelnummerierungen gewöhnt, aber diese Art ist ebenfalls sehr gut gelungen und hilft dem Verständnis sehr.

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„Vielleicht liegt es ja daran, dass ich Mutter bin, daran, dass ich es gewohnt bin, dass meine Kinder mich anlügen oder versuchen, mich anzulügen. Vielleicht auch daran, dass ich schon mein ganzes Leben in der Gesellschaft von Henry und seinen Freunden verbracht habe und mir ihre faulen Ausreden anhören musste, wenn sie zu spät nach Hause kamen, […]. Ich weiß es nicht. Aber ich beobachtete Chloe sehr genau. Ich beobachtete ihre Augen, ihre Schultern, ihre Füße. Sie wirkte irgendwie zu aufgekratzt, zu putzig.“

(S. 165)

Die Dinge in Little Wing nehmen ihren Lauf – für den einen besser als für den anderen. Und doch ist diese Kleinstadt für alle Heimat, ihr Zuhause. Hier kommen sie hin, wenn sie dem Großstadttrubel entkommen wollen; hier wohnen sie schon ihr ganzes Leben; hierher kommen sie, wenn sie Zweifel haben und Ruhe suchen.

Things in Little Wing go their way – for ones better than for others. But this little town is home  to all of them. They come here when things are tough and some of them live here their whole life. Little Wing is their go-to-place when looking for peace and quiet times.

„Aber ich habe New York nie geliebt, und auch keine andere Stadt. Keine einzige der Städt, in denen ich auf meinen Tourneen aufgetreten bin. Hier, wo ich jetzt bin, entfaltet sich das Leben in jeder Jahreszeit anders. Hier spult sich die Zeit unendlich langsam ab, wird jeder Augenblick sorgfältig verteilt, als sei er ein köstlicher Nachtisch, den wir uns auf der Zunge zergehen lassen – Hochzeiten, Geburten, Schulabschlüsse, Eröffnungsfeiern, Beerdigungen. Die meisten Dinge bleiben gleich.“

(S. 187)

Nach einer Weile der Alltagsgeschichten und der Geschichten rund um die Probleme der einzelnen Charaktere kommen wir auch dem Knackpunkt der Geschichte näher – dem Beinahe-Verlust einer tiefen Freundschaft aus Liebesgründen.

After some time of daily-stories and stories around the problems of the different characters we are slowly coming to the turning point in this story – the loss of a friendship because of love.

„Dieses Album, dessen Produktion mich im Grunde genommen genau sechshundert Dollar gekostet hat, hat 1,6 Millionen Exemplare gekauft. Es verkauft sich immer noch. Jede Woche verkauft es sich besser als in der Woche davor. Und die Liebeslieder: Ich habe sie alle für Beth geschrieben.“

(S. 225)

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Über „Shotgun Lovesongs“ könnte man noch stundenlang reden und bis ins Kleinste die Inhalte erzählen.

Das Beste ist jedoch, wenn man sich dieses wunderbare Buch einfach nimmt und es selbst liest.

You could talk endlessly about „Shotgun Lovesongs“ and its characters and contents.

But its best to just grab this wonderful book and read it yourself.

And its best to go and dive deep into the world of Lee, Henry, Kip, Ronny and Beth and feel that smell of the countryside of America which you can really feel while reading.

Das Beste ist es, selbst in die Welt von Lee, Henry, Kip, Ronny und Beth einzutauchen und einen Hauch ländliches Amerika zu spüren, das man beim Lesen fast riechen kann.

Nickolas Butler hat es geschafft, ein ruhiges Buch zu schreiben, das weder langweilig noch langatmig daherkommt und doch eine Art Epos ist.

Nickolas Butler created a quiet book which is never boring or lenghty but some sort of an epic novel.

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Artikel zum Buch gibt es u.a. hier, hier und hier zu lesen.

You could read articles about the book here, here and here.

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„Shotgun Lovesongs“ ist definitiv eine Leseempfehlung für alle Jahreszeiten.

Nach dem Genuss dieses Romans werde ich mir auch das nachfolgende Buch des Autors mit dem deutschen Titel „Unterm Lagerfeuer“ nicht entgehen lassen.

„Shotgun Lovesongs“ is definitely a recommendation for you to read on all times of the year.

After reading this book I definitely am going to get my teeth into the other works of the author, including his novel „Beneath the bonfire“.

Also, lest das Buch und findet heraus, was ein Glas mit eingelegten Eiern und eine Bleikugel mit Freundschaft zu tun haben…

So – grab this book and find out what a glas of eggs and a bullet have in common with friendship…

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~ Lutetia Stubbs: interessant, leicht irre und irgendwie faszinierend ~

Wie ich bereits in einem früheren Artikel erwähnte, finde ich Twitter als Kommunikationsmittel mit seinem 140-Zeichen-Limit gar nicht so schlecht.

Ich stolpere fast täglich über neue Entdeckungen und Autoren, dass ich viel viel mehr Zeit bräuchte, um wenigstens bei jedem von ihnen einmal in ein Werk hineinzuschnuppern.

Aber ich versuche zumindest, mich zu bemühen – und nun hat sich ein E-Book des Leipziger Autors Matthias Czarnetzki auf meinem Trekstor-Gerät eingenistet und wartet geduldig auf Nachfolgeliteratur seines Erzeugers.

„Lutetia Stubbs: Herz aus Stein“ – so lautet der Titel des mehr als 200-Seiten langen Werkes. Es ist übrigens das zweite in der Reihe um die faszinierende Hauptfigur Lutetia Stubbs.

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Normalerweise fängt man ja Serien meistens von vorn an, aber ich wollte an dieser Stelle einfach mal testen, ob man sich auch gut in eine Geschichte und dessen Charaktere hineintasten und -fühlen kann, wenn man den Anfang der Geschichte nicht kennt.

Es war ein wenig kompliziert und manchmal auch verwirrend, aber nach einer Weile ist es mir gelungen, die Charaktere zu identifizieren, auseinanderzuhalten und liebzugewinnen.

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Einblick 1

Die Ereignisse aus diesem zweiten Buch spielen rund ein halbes Jahr nach den Geschehnissen des ersten Buches mit dem schönen Untertitel: „Kellerleichen – und wie man sie nicht entsorgt“.

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Kellerleichen…

Lutetia, ihr Mann George und ihr Zwillingsbruder Marx wohnen schon eine Weile auf der Burg in Borough – und schon gibt es wieder Leichen.

Allerdings sind diese nicht immer ganz vollständig – und bei/ in einigen finden sich auch Dinge, die nicht in eine normale Leiche gehören. George muss es wissen, ist er doch der örtliche Leichenbestatter…

In einer Leiche findet sich ein Herz aus Basalt und wirft Fragen auf: wieso hatte der (sowieso nicht beliebte Verstorbene) sein „normales“ Herz nicht mehr, wo war das Herz, woher kam das Herz aus Stein – und wem hatte es ursprünglich mal gehört…

Doch nicht nur Lutetia muss sich mit Leichenproblemen herumärgern, auch die diversen Nebencharaktere sorgen für rasante Action und lassen es nicht langweilig werden.

Da hätten wir zunächst Lutetias Vater Harold. Nebst seiner Haushälterin Brenda – die eigentlich gern mehr wäre, aber erstmal dafür sorgen muss, dass ihr Arbeitgeber und sie nach einem Casinobesuch in Las Vegas am Leben bleiben.

Dann gibt es in Borough einen Arzt namens Ruteledge, der auch so seine Geheimnisse hat und nicht wirklich gut auf Lutetia zu sprechen ist.

Diverse Mafiosi, russische Gangster und eine plötzlich aufgetauchte Touristin (die gar keine ist) komplettieren den rasanten Reigen um die Ereignisse, die sich in diesem Buch abspielen und den Leser an die Schrift fesseln.

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Das ist erst der Anfang…

Nebenher muss sich Lutetia ihres Bruders erwehren (dessen Geldgier und kleinere Drohungen den Verstand ein wenig vernebelt haben) und dafür sorgen, dass die Burg auch ihr Zuhause bleibt!

„Wer war das?“

„Jemand, der behauptet, dass ihm die Burg gehört. Er will, dass wir in vierundzwanzig Stunden verschwunden sind.“ Lutetia blätterte durch die Papiere, die ihr der Anwalt gegeben hatte. […]

„Warum erschießen wir ihn nicht einfach?“

„Wischst du die Schweinerei dann weg?“

„Nein.“

„Deshalb.“

(S. 67 Ebook-Ausgabe)

 

Lutetia Stubbs ist die Art von Person, mit der man sich nicht anlegen sollte. Zumindest nicht, wenn man vorhat, etwas länger zu leben.

„Was mich in diesem Zusammenhang interessiert: sind Sie eine gewalttätige Psychopathin?“

„Dann wäre mein Leben einfacher.“

(S. 77 Ebook-Ausgabe)

 

Und: potentielle Killer sollten sich lieber zweimal überlegen, ob sie sich mit Lutetia und ihrer Familie anlegen:

„Hat er überlebt? George überlegte einen Moment und schüttelte dann den Kopf.

„Es sind fünfundsiebzig Meter freier Fall und die Grube ist fünfundzwanzig Meter tief. Falls er lebend unten ankam, ist er untergegangen.“

„Du sagst das mit einem Bedauern in der Stimme.“

„Ja. Wir haben jetzt eine Leiche im Keller.“

„Das hatten wir schon immer.“

„Aber für die sind wir verantwortlich.“

„Solange es nicht meine eigene Leiche ist, kann ich damit leben.“

(S. 112, Ebook-Ausgabe)

 

„Lutetia Stubbs: Herz aus Stein“  ist definitiv lesenswert.

Die Geschichte ist rasant, voll von skurrilen Charakteren – und der häufig wechselnde Handlungsort hält den Leser und seine Konzentrationsfähigkeit auf Trab und sorgt für gelungene Abwechslung.

Wer Lust bekommen hat, kann hier in den dritten Band hineinlesen und ein vierter ist für dieses Jahr geplant.

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Auf jeden Fall sollte man sich mit dem Autor und Erschaffer von Lutetia befassen.

Matthias Czarnetzki hat nicht den typischen „Ich-werde-Autor“-Karriereweg eingeschlagen, sondern kam auf Umwegen zur Schreiberei. Das heisst, geschrieben hat er schon immer.

Allerdings hat er zunächst als Banker gearbeitet, war dann als Journalist tätig und hat Informatik studiert.

Neben seiner schriftstellerischen Arbeit programmiert er Software und ist auch sonst ein vielbeschäftigter Ehemann und Vater.

Interviews mit vielen Einblicken in das Leben des Autors gibt es hier, hier und hier.

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Ich wünsche euch – wenn ihr Lutetia eine Chance geben wollt – eine vergnügliche Zeit mit ihr, dem Humor im Buch und natürlich mit Lutetias Familie 🙂

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Das Ende…nein, es geht noch weiter…