Im Allgemeinen schreibe ich hier weniger über politische Sendungen und Diskussionen, allerdings habe ich gestern „Hart aber Fair“ in der ARD gesehen – und diesmal möchte ich meine Ansichten dazu mitteilen…
Das Thema der Sendung lautete: „Hitler als Witzfigur – worüber darf Deutschland lachen?“
Als Gäste geladen waren:
* Rudolf Dreßler (SPD) => ehemal. dt. Botschafter in Israel
* Hellmuth Karasek => Autor/ Journalist
* Oliver Pocher => Moderator, parodierte Hitler in seinem Programm auf der Bühne
* Erika Steinbach (CDU)
* Leo Fischer, Chef des Magazins Titanic
Wen die geführte Diskussion interessiert, hier die Website dazu und hier der Link zur ARD-Mediathek.
Bei einigen Gästen kann man definitiv geteilter Meinung sein – auch hinsichtlich der Meinung, die sie vertreten. Dennoch herrscht Meinungsfreiheit und unterschiedliche Positionen dürfen dargestellt werden.
Dennoch sind manche Ansichten etwas befremdlich. So meiner Meinung nach auch das Buch („Er ist wieder da„, Satire), über welches gesprochen wurde.
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Ich persönlich habe dieses Buch nicht gelesen und werde es auch nicht lesen.
Bei einer Parodie von Charlie Chaplin („Der große Diktator“) hat man lachen können. Man merkte deutlich, dass er diesen Charakter aufs Korn nimmt und sich über ihn lustig macht.
Allerdings hat er später auch gesagt: „Hätte ich etwas von den Schrecken in den deutschen Konzentrationslagern gewusst, ich hätte `Der große Diktator`nicht zu Stande bringen können, hätte mich über den mörderischen Wahnsinn der Nazis nicht lustig machen können.“
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Generell fand ich es erschreckend, als die Einspieler kamen und Jugendliche gezeigt wurden, die mit Begriffen wie „Dachau“ nichts anfangen können. Durch diese Sendung hat sich wieder einmal gezeigt, dass der Geschichtsunterricht in unseren Schulen nicht sehr ausgeprägt und gut durchgeführt sein kann, wenn auch jüngere Jugendliche nicht mehr wissen, dass Deutschland einmal geteilt war und auch die „Mitarbeiter“ Hitlers – wie Himmler, Göring, Goebbels oder Hess, nicht mehr gekannt werden. Schließlich hatte ja auch ein Propagandaminister wie Goebbels einen großen Anteil an der damaligen Situation.
Wenn ich an meinen damaligen Geschichtsunterricht denke, ist es für mich eigentlich keine große Überraschung, dass er heute nicht viel besser zu sein scheint. Jahreszahlen haben zu meiner Zeit (und soooo lange ist das nicht her) immer eine größere Rolle gespielt als der Gesamtzusammenhang. Man paukte – und behielt nicht viel von den Zusammenhängen im Kopf, da zu viel verlangt wurde – und heute ist es noch schlimmer!
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Wenn Menschen wie Oliver Pocher die Ansicht vertreten, dass sie ja nicht Schuld hätten, dass ihre Generation ja nichts dafür könne, was damals passierte, dann kann ich auch nur mit dem Kopf schütteln (obwohl ich vom Alter her dazugehöre).
Sicher, heute sind andere Zeiten als damals – aber Menschen, die so denken, sind auch diejenigen, die das Vergessen bestärken – und solche Taten dürfen nicht vergessen werden.
Natürlich gab es auch im Laufe der Geschichte immer wieder absolutistische Herrscher, die ihre Untertanen in Kriege schickten und sich nicht um sie und ihr Leben scherten, sondern nur ihrem eigenen Machtgewinn hinterherrannten. Aber Herrscher wie Heinrich VIII und ähnliche aus vergangenen Jahrhunderten sind eben (genau wie ihre Taten) auch schon Jahrhunderte tot und es wird anders auf ihre Hinterlassenschaften reagiert.
Und sicher gibt es auch heute Regierungen, die nicht unbedingt für das Wohl ihrer Landesbewohner arbeiten.
Aber man darf nicht vergessen, dass Hitler ein ganz besonderes Kaliber war – ein Mensch ohne Skrupel, der innerhalb kürzester Zeit eine schwächelnde Weimarer Republik „übernahm“ und dem sich keiner in den Weg stellte.
Der Themenabend mit dem Spielfilm „Nacht über Berlin“ und der anschließenden Doku sollte einen guten Einblick gewährt haben.
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Abschließend folgendes:
Wenn Satire oder Humor als solches erkennbar ist (wie z.B. bei Charlie Chaplin), dann finde ich es in angemessenen Dosen vertretbar.
Dieses Satirebuch mit Hitler in der jetzigen Zeit ist meiner Ansicht nach wenig vertretbar – da auch falsche Ansichten übermittelt werden können, die zwar nicht beabsichtigt waren, aber dennoch Schaden anrichten können!
Menschen, die mit Hitler-Konterfeis als Zeitschriften-Aufhänger Geld verdienen und nur auf Auflagenerhöhung spekulieren, denken eine Spur zu wenig über die Hintergründe nach.
Wenn die Heranwachsenden nicht angemessen für das Thema des Nationalsozialismus sensibilisiert werden (Filme/ Bücher/ Gespräche/ Exkursionen zu Konzentrationslagern etc.) dann kann auch nicht erwartet werden, dass diese Menschen aus der Vergangenheit lernen.
Nur Jahreszahlen lernen bringt am Ende nichts für das Gesamtbild.
Wir müssen unsere jüngere Gesellschaft sensibilisieren – sonst wiederholt sich Geschichte – und das ist auf keinen Fall wünschenswert!
Ich stimme dir teilweise zu. Natürlich sollte man diese Ereignisse nicht verharmlosen und viele Jugendliche wissen wirklich nichts über diese Zeit. Wie du schon sagst: Im Unterricht zählen Zahlen – bzw. bei uns vor allem Kriegsstrategien, wer wie viele Waffen hatte etc. Holocaust ist aber auch Thema im Deutsch-, Ethik- und Religionsunterricht. Viele interessieren sicher aber wohl auch nicht dafür bzw. lernen nur für den Test und vergessen nachher alles. Für manche ist das Thema wahrscheinlich auch so alt, dass es nicht mehr greifbar ist (wirklich altersgerechte Vermittlung des Stoffes erfolgt ja auch nicht in den Schulen). Da benötigt es auch engagierte Lehrer, Schulprojekte etc. Unserer Lehrerin (sie unterrichtete aber auch Ethik) hatte selbst ein großes Interesse an dieser Epoche und ein Anliegen, dass wir die Schrecken und Ausmaße der Zeit wirklich verinnerlichen. Daher unternahm sie mit uns diverse Ausflüge, zum Beispiel in eine Euthanasieanstalt (auch ein Thema, dass viele nicht gleich mit der NS-Zeit verbinden, weil es nicht zum Lehrplan gehört). Ich aber habe mir – wie vermutlich auch du – das meiste Wissen über die Zeit selbst angeeignet (insbesondere durch Biografien). So oder so lässt sich über die Inhalte des Geschichtsunterrichts streiten – es zählen die Zahlen und Namen, aber nie das tatsächliche Leben und gerade das ist doch eigentlich, was die einzelnen Epochen geprägt hat und was die Bevölkerung betraf. Ich möchte nicht, dass die Leute später mal lernen müssen, wer wann Bundespräsident oder -kanzler wurde, sondern halte es für sinnvoller, dass man als Schüler lernt, wie sich der Alltag gestaltet hat, um ein besseres Verständnis der Zeit zu bekommen.
Bezüglich „Er ist wieder da“ muss ich dir aber widersprechen bzw. kann ich dich etwas beruhigen: Ich selbst war ursprünglich auch sehr negativ gegenüber dem Buch eingestellt. Als Timur Vermes und Christoph Maria Herbst (sprach das Hörbuch ein) hier zur Lesung und Diskussion waren, bin ich aber einfach mal hingegangen, um mir selbst einen besseren Eindruck zu machen. Ich habe dabei einen sehr guten Einblick in die Hintergründe und Absichten des Buches bekommen und musste meine negative Meinung dann auch ändern. Lesen werde ich das Buch zwar noch immer nicht, da es einfach auch nicht mein Humor ist. Aber „Er ist wieder da“ spült Hitler und seine Taten nicht weich – im Gegenteil. Man liest zwar aus seiner Perspektive und lacht auch mal mit ihm (gerade dieses Tabu sollen die Leser hinterfragen), allerdings lacht man ihn auch aus und er selbst macht sich über die Neo-Nazis lustig. Zudem zeigt das Buch, wie leicht eine Manipulation durch Leute wie Hitler auch heute noch möglich wäre: Keiner nimmt Hitler in dem Buch ernst, da jeder ihn nicht für DEN Hitler hält, sondern für einen Komiker, der sich als Hitler ausgibt. Und gerade das führt dazu, dass die Leute wieder an seinen Lippen hängen und er erneut Menschenmassen für sich gewinnen kann. „Er ist wieder da“ mag wirklich am Anfang den Eindruck erwecken, den du und ich haben/hatten, aber es verharmlost nicht – es ist zwar als lustiges Buch gestaltet, doch zeigt es am Ende nur, dass die Menschen heute genauso anfällig wären wie damals. Und es fordert den Leser auf, dreimal zu denken und spielt mit diesem unausgesprochen Tabu einer Satire Hitlers. Der Autor umschrieb das damals in etwas so, dass man als Leser wirklich beim Lesen „aufschrecken“ und sich fragen soll, ob man jetzt überhaupt lachen darf oder nicht. Desweiteren wollte Vermes nach eigener Aussage erreichen, dass Hitler nicht so mystifiziert wird – es gibt überall nur das Bild dieses brutalen, herzlosen Monsters. Vermes war damals der Ansicht, dass es dazu zu einer Art „Mythos Hitler“ kommen könnte, dass Menschen heute daher eine Art Distanz entwickeln bzw. er auf eine Ebene verfrachtet wird, wo er einfach nicht mehr greifbar oder real wird (nach dem Motto: „Das kann heut nicht mehr passieren.“) Wir kennen das ja auch von anderen historischen Figuren, die eher wie Legenden wirken denn wie wirkliche Menschen, die tatsächlich mal so existiert und agiert haben. Durch dieses Reinholen in den Alltag und das Lachen mit ihm sollte Hitler sozusagen etwas vermenschlicht werden, damit die Leute erkennen, wie leicht man Propaganda oder Personen verfällt, die wissen, wie sie andere für ihre Machenschaften gewinnen. Letztlich ist das Buch für Erwachsene, die dafür eigentlich die entsprechende Reflexionsfähigkeit aufweisen sollten. Jugendlichen, die wirklich nichts vom Holocaust verstehen, würde ich dieses Buch aber auch nicht in die Hand drücken (zumindest nicht ohne es gemeinsam mit ihnen zu interpretieren und hinterfragen).
So,jetzt habe ich einen kleinen Roman geschrieben… Dabei wollte ich nur sagen: Ich dachte auch so wie du, aber habe festgestellt, dass man dieses Buch nicht kritisieren darf, wenn man sich nicht intensiv damit beschäftigt hat. Man muss es selbstverständlich nicht mögen oder lesen, aber um es zu verstehen und zu beurteilen, reichen die Meinungen in den Medien nicht aus.Oder wie man so schön sagt: Beurteile nie ein Buch nach seinem Cover. 😉
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WOW – ja, ein kleiner Roman 🙂
Ja, dieses Thema ist ein grenzenloses und man könnte noch viel mehr darüber sagen. Mal sehen, ob ich mich dazu durchringen kann, mich näher mit dem Buch zu beschäftigen. Wie du schon sagst, unreflektiert und ohne Gesprächsanleitung würde ich es auch nicht an Jugendliche weiterempfehlen. Allerdings ist ja auch hier die Gefahrenquelle hoch, dass sich unreflektiert und ohne die notwendigen Hintergrundkenntnisse damit beschäftigt wird und das eventuell den falschen Leuten in die Hände spielt.
Wie gesagt: ein weites Feld und viel Bearbeitungsspielraum.
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Japp. Ganz genau. Wie gesagt, du musst es nicht lesen oder mögen (ich hab es ja auch nicht gelesen). Aber ich hab für mich daraus gelernt, dass diverse Fachjournalisten und andere „Experten“ oftmals auch nur die grobe Beschreibung kennen und urteilen – gelesen haben es von denen scheinbar nur wenige. Die Redakteure, die es gelesen und in einer Rezension besprochen haben, waren nämlich auch durchgängig überzeugt (ich kenne nur eine negative Rezension unter den Qualitätszeitungen in Deutschland). Daher weiß ich jetzt, dass auch die Kritiker kritisch beäugt werden sollten.
Generell denke ich aber, dass manche Bücher und Filme deutlich bedenklicher sind, beispielsweise „Deutschland schafft sich ab“ – das spielt dem rechten Flügel der Politik doch eher in die Hände (theoretisch, praktisch vielleicht weniger, da es nicht gerade die Art Buch ist, zu der Jugendliche greifen würden).
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